Dieser Beitrag wurde am 16. Juni 2016 veröffentlicht und zuletzt am 31. Oktober 2022 von Sascha aktualisiert

Dieser Artikel ist mein Beitrag zur Blogparade „Komfortzone verlassen? Oder lieber doch nicht?!“ von Christine Winter auf Stille-Stärken.de

Jeder Läufer wird sie schon mal verlassen haben, ich verlasse sie augenscheinlich auch wenn ich mich mit ein paar Anderen auf mache den Rhein Burgen Weg oder den Kölnpfad zu erlaufen. Viele andere Bekannte machen das ebenfalls regelmäßig auf Wettkämpfen.

Wir verlassen unsere oder besser, die allgemeine Komfortzone wenn wir versuchen einen Marathon unter 3:30, eine Ultratrail mit massig Höhenmetern oder 24 Stunden auf dem Rad verbringen.

Was ist diese Komfortzone eigentlich?

Die Komfortzone ist der Bereich des Lebens in dem man ohne große Anstrengungen voran kommt bzw. so vor sich hin lebt. Die Komfortzone kann die allabendlichen 5 km Runde durch den Park, die Couch oder die Stammkneipe bedeuten.

Für mich wäre eine Kneipe in der getrunken und geraucht wird (darf man ja heute zum Glück kaum noch wo) definitiv keine Komfortzone, ich würde mich dort extrem unwohl fühlen. Etwas präziser ausgedrückt klingt das dann so:

Komfortzone Die Komfortzone ist ein populärwissenschaftlicher Begriff und wird als jener durch Gewohnheiten bestimmte Bereich definiert, in dem sich Menschen einfach gut fühlen. Die persönliche Komfortzone ist also der Bereich, in dem sich Menschen sicher fühlen, sich wohlfühlen, wobei damit das Umfeld gemeint ist, das man kennt und gewohnt ist. Die Komfortzone endet dort, wo Überwindung oder Anstrengung beginnen und es nicht mehr bequem ist. Ein wesentlicher Teil der Komfortzone sind  Gewohnheiten und Rituale, wobei alles, was für einen Menschen unerwartet und neu ist,  außerhalb der Komfortzone liegt. Ängste sind dabei ein guter Hinweis, dass man seine Komfortzone verlässt, wobei das den meisten Menschen nicht bewusst wird. Jeder Mensch verfügt über eine individuelle Komfortzone, da die Grenzen, wo das sichere Gefühl aufhört und die Überwindung beginnt, von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sind. Ein Überschreiten dieser Grenze verursacht bei Menschen ein mulmiges Gefühl, weil man das gewohnte Umfeld verlässt, denn so kostet es eine schüchterne Person schon Überwindung, einen fremden Menschen anzusprechen, womit hingegen eine extrovertierte Person damit keine Probleme hat. Die Komfortzone ist nicht zu verwechseln mit Distanzzonen und Territorialität.

Quelle: http://lexikon.stangl.eu/13810/komfortzone/
© Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik

Wenn ihr die Definition genauer lest, dann erkennt ihr dass eben auch ein 100 km Lauf in den Alpen in der individuellen Komfortzone liegen kann. Verrückt oder?

Ich persönlich kann denke ich von zwei Komfortzonen sprechen, einer sportlichen und einer privaten.

Sportlich liegen ruhige Läufe auf den Trail an der Mosel zusammen mit Bonni in dieser Zone. Einfach im Wald umher laufen und meine Ruhe haben, gehen wenn ich gehen will und Tempo machen wenn mir danach ist. Bis vor einem halben Jahr hat sich mein Training größtenteils in dieser Zone abgespielt.

Privat oder familiär ist meine Komfortzone definitiv zuhause bei den Kindern auf der Couch, im Garten oder einfach im Wohnzimmer auf dem Boden liegend. Auch wenn Kindern einen immer fordern, ist es angenehm und ich will es nicht missen.

Muss ich meine Komfortzone überhaupt verlassen?

Das ist eine gute Frage die sich im Grunde nur jeder selbst beantworten kann. Ich für meinen Teil verlasse diese Komfortzone recht gerne, zumindest sportlich. Denn nur so habe ich die Chance auf Fortschritt und kann besser werden. Das Training auf Ultradistanzen ist nicht immer angenehm und bequem, das ist es aber auch nicht wenn man kürzere Distanzen trainiert. Wenn ich sonntagsmorgens um 06:00 auf der Laufstrecke stehe, egal ob Trail der Asphalt, dann ist das definitiv nicht meine Wohlfühlzone. Um diese Uhrzeit gibt es geschätzt Tausend Dinge die ich in dem Moment lieber täte und es kostet mich jedes Mal aufs Neue Überwindung trotzdem so früh laufen zu gehen. Ich muss (ja ja, natürlich laufe ich freiwillig) aber morgens schon dort stehen, denn sonst habe ich tagsüber für nichts anderes mehr Zeit, für mich also schon rein organisatorisch ein klares JA auf die Frage.

Ich muss die Komfortzone allerdings auch für mich persönlich beim Sport verlassen. Seit ich meinen ersten privaten Ultramarathon auf dem Radweg zwischen Münstermaifeld und Ochtendung (ja das heißt wirklich so) gelaufen bin, bin ich im Grunde auf der Suche nach meiner persönlichen Grenze. Diese ersten knapp 44 km haben mir gezeigt dass mit etwas Wille und Durchsetzungsvermögen vieles möglich ist. Jetzt könnte man meinen, dass 2 km mehr als ein Marathon für einen Marathonläufer nix besonderes seien. Stimmt natürlich, allerdings bin ich bis zu diesem Tag nie weiter als 25 oder 26 km am Stück gelaufen. Ich war also noch weit vom Marathon entfernt als ich los lief.

Warum ich damals los lief um so weit meine Füße mich tragen zu laufen ist eigentlich recht simpel. Meine Mutter war kurz davor verstorben, viel zu früh mit etwas über 50 Jahren. Meine Mutter erzählte immer einer ihrer Söhne würde Marathon laufen, wie für viele bedeutete Marathon einfach nur „der läuft verdammt weit“. Ich tat es bis dato nicht. An diesem Tag verlies ich definitiv meine Komfortzone und war fast 5,5 Stunden auf der flachen Strecke unterwegs.

Was hat man davon wenn meine seine Komfortzone verlässt?

Mal abgesehen davon dass ich die Distanz mittlerweile regelmäßig im Training laufe und auch weniger Zeit dafür investieren muss, sprich einfach weit mehr Kondition habe als noch vor ein paar Jahren hat mir der Kampf mit mir selbst und den Gegebenheiten beim Laufe noch so einiges mehr gebracht.

Entspannung. Klingt seltsam, wie sollte man sich entspannen können wenn man gerade seine Komfortzone verlässt? Natürlich tritt diese Entspannung in der Regel nicht beim ersten Mal auf. Aber grade beim Beispiel Sport führt ein regelmäßiges Verlassen der Komfortzone doch dazu dass man immer weniger Überwindung und Anstrengung benötigt um eine gewisse Übung durchzuführen. Die Übung ansich wird immer leichter zu meistern, was dazu führt dass man schon im Vorfeld des Trainings meist weniger angespannt ist. Man weiß ja irgendwann was man kann und dass es eine Schritt außerhalb der eigenen Wohlfühlzone nicht böse und kalt ist, sondern man wird damit vertraut.

Selbstbestätigung. Jeder der anfängt Sport zu treiben kennt das Gefühl dass er bekommt wenn er das erste Mal seine 5 km gelaufen ist ohne Pause machen zu müssen. Wenn er das erste Mal unter 30 Minuten auf 5 km geblieben ist weil er bewußt und voller Tatendrang einfach mal Gas geben hat. Die Selbstbestätigung dass man Ziele auf die man hintrainiert erreichen kann ist für mich mehr wert als jede Urkunde bei einem Wettkampf. Nicht selten bin ich die jeweilige Wettkampfdistanz schon vor dem eigentliche Wettkampf bereits für mich im Training gelaufen, nur um zu sehen was denn so geht. Mittlerweile würde das allerdings einen ziemlichen logistischen Aufwand zur Folge haben. Dazu werden die Distanzen einfach zu groß so langsam.

Grenzen verschieben sich. Das ist seit langem einer meiner liebsten Sprüche. Als ich mit dem Laufen angefangen habe, war mein erster offizieller Lauf ein 10 km Lauf. Damals fast unvorstellbar weit. Der nächste Schritt war dann ganz klassisch der Halbmarathon auf den ich solange trainierte bis ich ihn sicher unter 2 Stunden laufen konnte. 2 Stunden waren damals für mich das höchste der Gefühle was ich laufen wollte. Ich wußte damals schon dass wenn ich Marathon laufen würde, ich mit dem Trainingsstand mal mindestens 4 Stunden unterwegs sein würde. 4 Stunden war jenseits von gut und böse. 4 Stunden sind ein halber Arbeitstag. Wer bitte will denn einen halben Arbeitstag damit verbringen zu laufen? Heute stehe ich fast wie selbstverständlich sonntagsmorgens auf der Strecke und breche (zwar müde und anfangs lustlos) zu einem 4 oder 5 stündigen Trainingslauf auf. Was noch vor 4 Jahren undenkbar gewesen wäre, gehört heute zu meinem Standardtrainingsprogramm für meine Ultramarathons.

Wie wird die Komfortzone größer?

Wenn ich mir heute Läufe aussuche, die Zielzeiten und Cut Offs studiere dann machen mir Laufzeiten von über 20 Stunden keine Angst mehr. Meine Grenzen haben sich verschoben. Wie habe ich das geschafft? Durch Training. Was bedeutet Training? Es bedeutet dass ich, neben der Grundlagenarbeit immer mal wieder neue Reize setzen muss um einen Fortschritt zu erzielen. Neue Reize setzen kann bedeuteten einfach die gewohnte Hausstrecke die man seit Jahren läuft einfach mal schneller zu laufen. Oder andersherum. Neue Reize können auch ganz anderen Einheiten sein, Dinge die man sonst nie macht weil man sich dafür fürchtet dass es unbequem werden wird. Wer seine Ängste überwindet von Zeit zu Zeit, der stößt an seine Grenzen und weitet sie mit jedem Mal etwas aus.

Wer seine Komfortzone erweitern will, der sollte sich Ziele setzen die etwas außerhalb davon liegen. Idealerweise sind es SMARTe Ziele, wie ihr diese Ziele definiert erklärt euch Paula von laufvernarrt recht gut in ihrem Artikel SMARTE Zielsetzung für mehr Erfolg.

Wichtig ist dabei meiner Meinung nach vorallem dass man sich mit seinen Zielen nicht überfordert. Klar kann ein Raucher mit starkem Übergewicht sich vornehmen in 6 Monaten einen Marathon unter 4 Stunden zu laufen und klar kann das klappen. Die Wahrscheinlichkeit dass er sich dabei total überfordert, verletzt und demotiviert ist aber dennoch deutlich höher.

Das Ergebnis dürfte dann neben dem geschundenen Körper auch ein in seiner Angst und Einstellung bestätigter Ex-Läufer sein. War ja klar dass ich das nicht schaffe, Sport ist eh ungesund… Dass er in Zukunft dann noch mal versucht seine Komfortzone zu verlassen ist unwahrscheinlich.

Was macht man mit dem Stress, der Angst, der Unsicherheit etc., wenn man die Komfortzone verlassen will?

Seine Ängste zu ignorieren wäre nicht nur falsch, sondern ist in der Praxis eh nicht möglich. Lebe mit deiner Angst und nutze sie. Aktuell liege ich in den letzen Zügen der Kölnpfadvorbereitung und auch jetzt habe ich trotz vieler Trainingskilometer in den Beinen zwar keine Angst aber gehörigen Respekt vor den 171 km die dort auf mich warten. Trotz Training bin ich auch heute nicht so zuversichtlich dass ich sagen kann dass ich die Strecke definitiv bewältigen werde. Grade jetzt in den letzen vier Wochen vor dem Lauf, in denen nicht mehr so das harte Training stattfindet ist es schwer zuversichtlich zu bleiben. Dennoch werde ich daran festhalten, starten und finishen.

Was sollte man im Umgang mit der eigenen Komfortzone beachten?

Komfortzonen sind gut, sie geben uns Sicherheit und helfen und dabei abzuschalten.  Wir sollten nur daran denke ab und an mal vor die Tür zu gehen oder zumindest durch einen Spalt auf die Welt da draußen zu schauen. Oft sehen wir Dinge für die es sich lohnt die Komfortzone zumindest zeitweise zu verlassen.

Verlasst ihr eure Komfortzone ab und an? Wie geht es euch dabei und was erwartet ihr euch davon?

Foto: © SP-PIC – Fotolia.com

7 Gedanken zu „Komfortzone verlassen? Oder lieber doch nicht?!“

  1. Schöner Artikel, den ich gerne so unterschreibe.
    Die sonntäglichen Läufe früh um 5 oder 6 stehen auch bei mir fest auf dem Plan. Was mir aber dabei einfällt ist, dass so lustlos und zäh auch der Start ist, ich dann irgendwo da draußen dann ein Stück Komfortzone wiederfinde.Regelmäßig finden sich Momente wie der Sonnenaufgang, bei dem man sich denkt, dass sich das Aufstehen doch gelohnt hat.
    Zu Deinem Lieblingsspruch „Grenzen verschieben sich“ passt mein Liebling „Geduld ist der schärfste Zahn des Tigers“ hervorragend. Grenzen verschieben sich halt nicht mit einem Ruck, sondern nur mit Geduld. Das gilt für das Gitarre spielen, das Zeichnen ebenso wie für das Laufen und speziell die Ausdauer.
    Läuferisch habe ich keine Probleme meine Komfortzone zu verlassen und mich auch mal zu quälen. Oder habe ich überhaupt meine Komfortzone verlassen, wenn ich beim „ballern“ oder „Intervalle bolzen“ Spaß trotz Qual empfinde?
    Aber andere Bereiche lasse ich durchaus schleifen. Aber das dürfte wohl jedem so gehen. Ob es nun das Aufräumen der Garage ist, mehr Krafttraining, lang überfäiige Blogbeiträge fertigstellen… – was auch immer, auch diese Dinge forden ja im Prinzip ein verlassen der Zone.

    Viel Spaß und Erfolg beim Kölnpfad. Denk dran, wenn die Mechanik nicht versagt ist der Rest Kopfsache… ;)

    Viele Grüße aus Hagen

    Thomas

    p.s.: ich glaube niemand verbringt 100 Km komplett in der Komfortzone ;)

  2. Hallo Sascha,
    dass du den Kölnpfad mit 171 km angehst, hat meine Hochachtung. Spannend finde ich auch, wie du zu den Ultradistanzen gekommen bist. Was für eine Geschichte.
    „Grenzen verschieben sich“ – das ist wirklich ein toller Spruch. Sportlich ist meine Komfortzone deutlich kleiner als deine, aber auch ich habe meine Grenzen erweitert. Von drei Kilometern im Wald über 10 km Berliner Frauenlauf und Halbmarathons. Ja, und mit 55 habe ich mich dann nach viel Training erstmalig an den Marathon getraut. Weil ich einfach mal wissen wollte, ob ich das kann. Das war ein unbeschreibliches Hochgefühl – unterwegs und beim Überlaufen der Ziellinie. Das kennst du sicher gut :-).
    Für den Kölnpfad drücke ich dir beide Daumen!

    1. Hallo Christine,

      wer einen Marathon läuft braucht sich nicht zu verstecken. Da hast du mir etwas voraus, denn ich habe noch keinen Marathon offiziell beendet :) Wichtig ist doch dass man für sich selbst seine Grenzen findet und erweitert, sich mit anderen zu vergleichen ist Quatsch. Jeder hat andere Voraussetzungen.

      Vielen Dank fürs Daumen drücken.

  3. Also meine Komfortzone rollt sich ganz klein zusammen und schämt sich, wenn ich in deinem Beitrag lese, dass über 100 km laufen in deiner Komfortzone liegt.
    Es gibt Tage, da finde ich schon den Weg zur Kaffeemaschine ziemlich lang… ;-)

    Vielen Dank, dass du mir im Rahmen der Blogparade einen Einblick in diese ganz andere Welt ermöglichst.

    1. Guten Morgen Christine,

      du brauchst dich nicht schämen. Nicht jeder muss 100 km laufen können :) Dafür kann ich andere Dinge nicht, die wiederum anderen leicht fallen. Jeder hat so seins, wichtig ist dass wir was tun und uns fordern sonst werden wir schnell lethargisch und krank. Der Mensch ist nicht gemacht um still zu stehen, wir brauchen die Abwechslung und andere Reize.

      Ich bin selbst mal gespannt was da noch für Beiträge kommen zu dem Thema und werde es verfolgen!

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Sascha Rupp

Sascha Rupp

Ich laufe gerne weit und lange, mittlerweile fast ausschließlich abseits der Straße und meist weit weg von Asphalt. Trailrunning ist meine Art zu laufen, denn auf dem Trail oder im Wald, da finde ich Ruhe und Entspannung. An Bestzeiten bin ich nicht interessiert, Distanz ist, was mich reizt.Autorenbeiträge anzeigen

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