Dieser Beitrag wurde am 28. November 2018 veröffentlicht und zuletzt am 31. Oktober 2022 von Sascha aktualisiert

Ein paar Tage ist es jetzt her, dass ich völlig fertig aber glücklich beim KoBoLT nach offiziell 140 Kilometern über die Ziellinie gelaufen bin. Gut, gelaufen bin ich nicht wirklich. Ich will ehrlich sein, ich bin gegangen. Für mehr hat es nicht mehr gereicht.

Der KoBoLT hat mir alles abverlangt. Dabei war es glaube ich nicht einmal primär die Distanz, denn bis km 100 ging es mir erstaunlich gut. Besser noch als bei meiner Premiere auf dem Rheinsteig beim kleinen KoBoLT im Jahr 2016. 
Das lässt sich auch ganz einfach anhand der Finisherzeiten der beiden Läufe feststellen.
Beim Kleiner-KoBoLT bin ich nach 22:15 Stunden zusammen mit Franzi ins Ziel gelaufen, den KoBoLT habe ich nach 25:59 Stunden beendet. Ich war somit auf der langen Distanz gute 90 Sekunden pro Kilometer schneller. Sicher war Thorsten daran nicht ganz unschuldig, denn er konnte unser Tempo deutlich besser halten als ich. 

Betrachtet man also die reinen Zahlen, dann war ich dieses Jahr deutlich besser drauf. Das ist aber nur die halbe Wahrheit.
Der berühmt-berüchtigte Post-Ultra-Blues blieb damals aus. Das ist heute anders.

Ultralaufen = Grenzen erleben

Der KoBoLT hat mir, wie kein anderer Lauf bisher meine Grenzen aufgezeigt. Gut, das war im Grunde zu erwarten, denn der KoBoLT ist alles andere als ein einfacher und gemütlicher Lauf. Wer hier startet, der dürfte in freudiger Erwartung auf Schmerz, Einsamkeit und Kälte sein.

Die ersten Stunden auf dem Rheinsteig waren aber durchaus angenehm. Es war nicht sonderlich kalt, das Wetter war nahe am perfekten Herbstlaufwetter, der Wald duftete und Thorsten und ich verloren uns in Gesprächen. Bis VP2 Arienheller lief es, wie es eben auf 71 Kilometern so läuft. Es war anspruchsvoll aber nicht unangenehm. Die Beine spielten gut mit und waren nur mäßig schwer. Der Kopf war frisch und bereit für weitere 70 Kilometer.

Nachdem wir den Verpflegungspunkt Arienheller verlassen hatten, wurde es das erste Mal etwas ungemütlich. Ich war ausgekühlt und fror wie ein Schneider. Aber auch das ging vorbei, als wir dann ein paar Minuten unterwegs waren. 
Zu dem Zeitpunkt machte ich mir wohl das erstmal Gedanken darüber, warum zur Hölle ich jetzt in der Kälte durch den Wald laufen musste. Das war nur ein kurzer Moment, denn die Beine waren weiterhin den Umständen entsprechend „frisch“ und mit Thorsten hatte ich einen erfahrenen und zuverlässigen Begleiter an meiner Seite. 

Die Ruhe selbst, trotz technischer Probleme

Dass meine GPS Uhr nach knapp 80 km ausging und mir nur noch die Uhrzeit anzeigte, war mir total egal. Ich verschwendete nicht einen Gedanken daran. Früher hätte mich so etwas durchaus aus dem Konzept gebracht. Mittlerweile tut es das nicht mehr. Auch ein Zeichen wie entspannt ich den KoBoLT anging und wie fit mein Kopf im Grunde war. Dachte ich zumindest.

Nach etwas mehr als 100 Kilometern in den Beinen, machte sich mein Körper und die Anstrengung das erste Mal so richtig bemerkbar. Auch wenn ich unterwegs im Grunde nie wirklich wusste wie lange wir schon unterwegs waren, spürte ich wie ich eine Grenze überschritt. Meine Nachfrage bei Thorsten bestätigte mein Gefühl, denn wir waren bereits über 100 km unterwegs. 

Wir hatten den großen Verpflegungspunkt an der Erpeler Lay bei Kilometer 90 hinter uns gelassen. Dort hatten wir eine längere Pause eingelegt und die nassen Klamotten gegen trockene und wärmende Lagen getauscht. Die Batterien der Lampen gewechselt, ausgiebig gegessen und getrunken.
Diesen Ort der Wärme zu verlassen, war erwartungsgemäß schwer gewesen.

Fordernd aber machbar

Bis hierhin war der KoBoLT für mich eine Herausforderung. Das war mir aber schon im Vorfeld klar.
Durch meine lange Zeit auf der Warteliste und die sehr kurzfristige Einladung, rückte die gezielte Vorbereitung im Laufe des Jahres immer weiter nach hinten. Ich glaubte irgendwann nicht mehr daran noch starten zu dürfen und lies das Training schleifen. 
Als dann am Donnerstag vor dem Start die Einladung kam, überlegte ich dennoch nur kurz bevor ich zusagte. 
Was soll schon passieren? Ich wollte einfach loslaufen und schauen wie weit ich kommen würde. Im besten Fall bis ins Ziel, im schlimmsten Fall nur bis zu einem der Verpflegungspunkte.

Der plötzliche Tiefpunkt

Ich wurde mit jedem Kilometer schweigsamer, fiel immer öfter hinter Thorsten zurück. Hatte Probleme die Anstiege konstant anzugehen. Antraben ging nur dann, wenn Thorsten den ersten Schritt tat. Meine Schritte dagegen taten weh, jeder einzelne wurde unsäglich schwer. Neben den müden Muskeln, wurde auch der Kopf immer müder.
Ich trottete müde hinter Thorsten her. Meine Sicht verschwamm im Schein der Stirnlampe. Der laubbedeckte Waldboden verlief zu einem bunt gefleckten Untergrund. Ich begann über Steine zu stolpern.

Der Gedanken schlafen zu wollen wurde immer stärker. Ich schloss die Augen beim Laufen und zählte langsam bis drei. Gönnte mir so ein paar Sekunden Ruhe. Schreckte regelmäßig auf, wenn ich zu taumeln begann. 
Auf Thorstens Nachfragen antwortet ich, dass ich nur müde sei und alles gut wäre. Nur müde. Alles gut. So müde.
Ich schaute mich oft um, denn hinter uns tauchten leuchtende Punkte auf. Sie kamen auf den Geraden immer näher. Ich hatte dem nichts entgegenzusetzen. 
An den Anstiegen, das wusste ich, waren wir schneller als unsere Verfolger. Das kostete mich unheimlich viel Konzentration. Wer gegen den Schlaf ankämpft, kann das Tempo nur schlecht halten. 
Irgendwann gab mir Thorsten dann eine Packung Drops mit Koffein, half mir so aus meinem Loch. 

Koffein, Zucker und Tageslicht

Mein Körper war zwar noch immer fertig, dafür war mein Kopf aber wieder wach. Die Kombination aus Koffein, Zucker und Sonnenlicht wirkte wahre Wunder. 

Sonnenaufgang am Drachenfels


Die restlichen Kilometer waren dann etwas einfacher, zumindest schlief ich nicht mehr beim Gehen ein.
Etwa vier Kilometer vorm Ziel, liefen auch unsere Verfolger auf uns auf. Wir blieben ab hier zusammen. Hätten sie uns versucht zu überholen, hätte ich mich nicht mehr wehren können.
Auf der Zielgeraden kam uns meine Freundin entgegen. Es tat gut sie zu sehen.
Zusammen gingen wir ins Ziel und beendeten den KoBoLT nach 25:59 Stunden. Ende gut, alles gut. 
Meine Freundin ist es zu verdanken, dass ich überhaupt ein Finisherfoto habe. Wäre es nach mir gegangen, hätte ich mich in irgendeine Ecke gekauert. Jeglicher Antrieb und Anspannung fiel von mir ab als ich dort neben dem Zielbanner auf der Mauer saß.

Nächster Schritt WiBoLT 2019?

Mein Tiefpunkt, kurz vor Sonnenaufgang. Er beschäftigt mich noch heute.
Auf meiner Bucketliste steht der WiBoLT. Der führt über den gesamten Rheinsteig, 320 Kilometer. Mehr als doppelt soweit wie der KoBoLT. Mehr als doppelt so viele Höhenmeter. 
Es sind aber interessanterweise wieder nicht die reinen Zahlen die mich grübeln lassen. 
Es ist die Frage, ob ich mich wirklich bis zu 90 Stunden quälen will. In diesen 90 Stunden werde ich sehr wahrscheinlich öfter in ein solches Loch fallen und es wird mit Sicherheit tiefer sein als das beim KoBoLT. 

Will ich das? Ich weiß es nicht!

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Sascha Rupp

Sascha Rupp

Ich laufe gerne weit und lange, mittlerweile fast ausschließlich abseits der Straße und meist weit weg von Asphalt. Trailrunning ist meine Art zu laufen, denn auf dem Trail oder im Wald, da finde ich Ruhe und Entspannung. An Bestzeiten bin ich nicht interessiert, Distanz ist, was mich reizt.Autorenbeiträge anzeigen

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