Dieser Beitrag wurde am 25. März 2020 veröffentlicht und zuletzt am 13. September 2022 von Sascha aktualisiert

Bisher durfte ich nur passiv Ultraluft schnuppern und selbst hierbei stellte ich schnell fest „Ultraläufer sind der Wahnsinn!“. Genau dieser Eindruck bleibt auch von meinem ersten Ultra.

Beim Fishermanstrail galt es einmal um den Plauer See zu laufen. Ungewohnt flach (aber dafür trailiger als erwartet) ging es auf der geplanten Strecke 56 Kilometer am See entlang. Die mangelnden Höhenmeter wurden durch dauerhaften Gegenwind und zwischenzeitlichen Regen ersetzt – erste Erkenntnis: Ich bevorzuge dann doch Höhenmeter und Gipfelblicke, die steife Brise war auf die Dauer doch recht nervig! Zweite Erkenntnis: Beim Streckenbriefing etwas besser aufpassen, denn statt der ursprünglichen 56 Kilometer gab es eine Extrarunde die letztendlich drei Bonuskilometer mit sich brachte. Ich habe mir aber sagen lassen, dass man sich beim Fishermanstrail mindestens einmal verlaufen muss (!) – ich bin beruhigt.

Frauen im Ultramarathon
Nina beim Fishermanstrail

Bereits am Vorabend stellte sich ein „Wir-Gefühl“ ein, es scheint als seien Ultraläufer eine besondere Spezies, die sich freuen Gleichgesinnte zu treffen. Man kennt sich, egal ob man aus Hamburg, Berlin oder eben dem Weserbergland kommt. Schnell gehört man dazu. Ein schönes Gefühl, das mir als Ultradebütantin Sicherheit gab.

An dieser Stelle nehme ich es einmal vorweg: Es lief gut, ich bin durchgekommen, hatte keine nennenswerten Probleme (abgesehen von der Orientierung) und darf mich nun auch Ultraläuferin nennen.

„Jede Frau die läuft ist etwas Besonderes!“

Und an dieser Stelle sind wir auch schon im Thema: (Ultra-)Läuferinnen! Vor dem Start wurde ich durch eine Mitläuferin besonders herzlich mit den Worten „Schön, dass du da bist! Jede Frau die läuft ist etwas Besonderes!“ begrüßt, was mich nachdenklich stimmte. Sind wir Läuferinnen wirklich etwas Besonderes? Erstaunlicher Weise war ich dafür anscheinend nicht aufmerksam genug, weshalb hier ein Blick in die Statistiken hilfreich ist: Scheinbar scheinen wir hier in Deutschland tatsächlich etwas hinterher zu hängen, denn der Frauenanteil bei Marathons in Deutschland liegt bei circa 26 %. In den USA sind es im Durchschnitt 10 % mehr.

Und dennoch ist der Frauenanteil auf dem bisherigen Höhepunkt: 2019 waren es mit 26% weiblichen Finishern so viele wie nie in der Geschichte des deutschen Laufsports. Den höchsten Frauenanteil hat hierbei übrigens der Berlin-Marathon (30 %), gefolgt vom Rennsteiglauf (28 %) und dem 3-Länder-Marathon (25 %). Bei den gelisteten „Vielläuferinnen“ sinken die Zahlen hingegen drastisch: Im 100 Marathon Club Deutschland sind nur knapp 12% weibliche Mitglieder. Hier ist also noch deutlich Luft nach oben.

Je länger die Strecke, desto vorteilhafter für Ultraläuferinnen

Werfen wir einen Blick in die Ultra-Szene, dann hat hier im vergangenen Jahr besonders der Sieg von Maggie Guterl beim Big Dog´s Backyard Ultra für Aufsehen gesorgt. Sie finishte den Backyard Ultra als erste Frau und war die last-WOMEN-standing im Rennen, womit sie sich den Gesamtsieg sicherte.

In der All-time-distance Bestenliste landet Guterl mit ihren gelaufenen 60 Runden (400km) direkt auf Platz 4. Sie ist damit nicht alleine: Im vergangenen Jahr gewann Katie Wright den Riverhead Backyard ReLaps Ultra-Marathon in Neuseeland und Jasmin Paris gewann als erste Frau das Montane Spince Race (248 Meilen) und unterbot den bisherigen Streckenrekord um mehr als zwölf Stunden (!).

Zu beobachten ist dabei, dass die „Lücke“ zwischen der Leistungsfähigkeit von Frauen und Männer umso geringer wird, je länger die Strecke ist. So fasst der britische Sportwissenschaftler Dr. Nicolas Tiller zusammen: „Ultra-marathons are the great equaliser„. In einer aktuellen Studie von RunRepeat und der International Association of Ultrarunners wird dies bestätigt, hier heißt es zudem, dass Ultraläuferinnen ab einer Distanz von 195 Meilen (ca. 313km) um 0,6% schneller seien als ihre männlichen Mitläufer. Erfreulicherweise wird hier auch festgehalten, dass der Sport noch nie so weiblich gewesen sei – das Starterfeld bei einem Ultramarathon besteht durchschnittlich zu 23% aus Frauen!

Also Mädels, schnürt weiterhin die Laufschuhe, rennt was euch Spaß macht – meine Empfehlung bleibt jedoch: Wagt das Abenteuer (Ultra)Marathon – you can do it!

6 Gedanken zu „Wo sind die Frauen im Ultramarathon?“

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  3. Ganz genau, gerade auf den Ultrastrecken können es die Frauen durchaus mit den Männern aufnehmen. Das liegt neben physiologischen Unterschieden im Fettstoffwechsel vielleicht auch ein bisschen am Mindset, da sich Männer tendenziell eher überschätzen und Frauen eher unterschätzen, so zumindest meine Erfahrung. PS: Courtney Dauwalter ist übrigens auch eine große Ikone und Vorbild für viele Frauen, sich mehr zuzutrauen.

  4. Liebe Andrea, diese Einschätzung teile ich auch. Mir gefällt diese Gelassenheit sehr und ich hoffe, dass ich noch bei einigen langen Laufen an den Start gehen darf :) Viele Grüße und noch ganz viel Spaß bei deinen Laufabenteuern, Nina

  5. Netter Text. Danke dafür. Den Fishermans bin ich letztes Jahr bei kaltem aber sonnigem Wetter mit einer Freundin gelaufen. Eine sehr familiäre und nette Veranstaltung. Mein persönliches Highlight war der Fischergeist danach. Für meine Freundin war es auch der erste Ultra. Mein erster war 2018 der Schweriner Seentrail. Auch nett. Inzwischen bin ich einige Ultras gelaufen, längste Distanz bisher 70km in einer 2er Staffel beim Mauerweglauf 2018. Ein tolles Erlebnis. Ich fühle mich nicht als was Besonderes. Mir liegt einfach Distanz mehr als Tempo und Trail mehr als Straße. Nach meiner Erfahrung sind Ultraläufer im sportlichen Umgang generell extrem entspannt, egal welches Leistungsniveau und egal ob Mann, Frau oder divers.
    Gruß
    Andrea

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Nina Wüstemann

Nina Wüstemann

Als begeisterte Trailrunnerin gehören für mich verwurzelte Singletrails, schnelle Downhillpassagen, knackige Anstiege und am liebsten viele Höhenmeter zu einem perfekten Lauf einfach dazu. Gekrönt wird dies nur noch durch den Moment, in dem man den Gipfel erreicht, die Stille und den Blick ins Tal und auf die benachbarten Berge genießen kann und sich einfach frei fühltAutorenbeiträge anzeigen

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